Veranstaltung: | 2. Landesmitgliederversammlung 2023 |
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Tagesordnungspunkt: | 4.2. Inhaltliche Anträge |
Antragsteller*in: | Luca Salis (LV Grüne Jugend Sachsen-Anhalt) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 24.06.2023, 08:37 |
A9: Eintreten für die demokratischen Rechte der kurdischen Bewegung und einem Ende der militärischen Gewalt in Nord- und Ostsyrien sowie Kurdistan-Irak
Antragstext
Die Grüne Jugend Sachsen-Anhalt solidarisiert sich mit der kurdischen Bewegung
in Deutschland und unterstützt die Einbindung der kurdischen Bewegung in
demokratische Prozesse.
Infolge der Invasion in Afrîn 2018 gab es innerhalb der Grünen Jugend auf
Bundesebene umfangreiche Solidaritätsbekundungen mit dem Projekt der
Autonomieregion Nord- und Ostsyrien, damals auch Rojava genannt. Inzwischen
umfasst das Gebiet weitere Teile mit arabisch-sunnitischer Bevölkerungsmehrheit,
weswegen „Rojava“ (wörtlich: „der Westen“ Kurdistans) nicht mehr das gesamte
Gebiet beschreibt. Die Grüne Jugend fühlt sich in vielen Punkten der Ideologie
der kurdischen Bewegung programmatisch verbunden. Außerdem verurteilt die Grüne
Jugend die umfangreiche Kriminalisierung politischer Arbeit der kurdischen
Bewegung innerhalb Deutschlands.
Im Sommer 2022 hat Erdoğan eine umfangreiche Bodenoffensive in Nord- und
Ostsyrien angekündigt, die das Ziel habe, „sie alle auszurotten“1. Damit nutzt
Erdoğan bewusst genozidale Rhetorik. Genozide umfassen nicht nur das gezielte
Töten von Personen einer bestimmten Gruppe, sondern basieren auf „Handlungen,
begangen in der Absicht, eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse
Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören.“ So definiert die UN-
Konvention „Völkermord“ im Artikel II. Dazu gehören Maßnahmen die gezielte
Vertreibung, Umsiedlung und Assimilation und damit die Auslöschung der
kurdischen Bevölkerung zur Folge haben.
Im besetzten Afrîn zeigen sich bereits erste Ergebnisse dieser kriminellen
Taktik: Während vor der Invasion noch schätzungsweise 95% der Bevölkerung
kurdisch war, ist der kurdische Bevölkerungsanteil 2022, vier Jahre nach der
Besatzung, auf 25-30% geschrumpft.2 Die Bodenoffensive, die Erdoğan angekündigt
hat, ist zwar bislang ausgeblieben, im November fand dahingegen eine Erweiterung
der Luftschläge statt, die auch auf zivile Infrastruktur wie Krankenhäuser,
Getreidesilos und Strominfrastruktur gerichtet wurden. Diese Eskalation hat für
weltweite mediale Aufmerksamkeit gesorgt und wurde auch als Wahlkampfmanöver
Erdoğans in Hinblick auf die türkischen Präsidentschaftswahlen am 14. Mai 2023
gedeutet. Neben den konventionellen militärischen Aktionen gibt es zudem seit
2022 Hinweise auf den Einsatz chemischer Kampfstoffe durch das türkische Militär
in Kurdistan-Irak,3 was bei Zutreffen einen eklatanten Bruch des Völkerrechts
sowie der von NATO-Partner Türkei mitunterzeichneten Chemiewaffenkonvention
bedeuten würde.
Im Februar 2023 folgten die verheerenden Erdbeben in der Türkei und Syrien. Für
die Folgezeit dieser weitreichenden humanitären Katastrophe wurde auf Seiten der
„Union der Gemeinschaften Kurdistans“ KCK zu einer Waffenruhe aufgerufen, der
sich die kurdischen und autonomen Verteidigungseinheiten anschlossen und die bis
zum Ergebnis der türkischen Präsidentschaftswahlen gehalten werden soll.
Das türkische Militär setzte seine Luftschläge dagegen fort und fügte der
Zerstörung und dem zivilen Leid durch die Erdbeben noch weitere militärische
Gewalt hinzu, die weitere Folgen für die dringend notwendige Versorgung und die
ohnehin vorhandenen Ängste der Menschen mit sich gebracht hat. Die Lage
verschlimmerte sich zusätzlich und maßgeblich durch die gezielte Hinderung der
syrischen Regierung, humanitäre Transporte des kurdischen roten Halbmonds in die
betroffenen kurdischen Gebiete außerhalb des Autonomiegebiets zuzulassen.
Während dieser verheerenden humanitären Notlage findet in der Türkei parallel
eine Kriminalisierung der politischen Kräfte der kurdischen Bewegung statt. 2021
beantragte Erdoğan ein Verbotsverfahren für die HDP, das mehrfach zeitlich so
verschoben wurde, dass es erst kurz vor der Wahl abgeschlossen wird und somit
eine erfolgreiche Listenaufstellung für die HDP verhindert. Aus diesem Grund
tritt statt der HDP bei dieser Wahl die „Grüne Linke Partei“, Yeşil Sol Parti
(YSP) an.
Seit Ende der türkischen Präsidentschaftswahlen, die Erdoğan wieder für sich
entschieden hat, werden die Angriffe der Türkei auf Kurdische Gebiete wieder
ausgeweitet.
Wir stehen solidarisch mit der kurdischen Bewegung – ob in der Türkei und Syrien
oder in Deutschland – und unterstützen ihren Kampf bei uns vor Ort. Dafür wollen
wir uns mit der kurdischen Community in Sachsen-Anhalt vernetzen.
Außerdem stellen wir als Grüne Jugend Sachsen-Anhalt folgende Forderungen:
Die Grüne Jugend Sachsen-Anhalt setzt sich für ein Ende der
Kriminalisierung der kurdischen Bewegung in Deutschland ein.
Die Grüne Jugend Sachsen-Anhalt setzt sich dafür ein, dass die
Bundesregierung den Giftgasanschlag auf Helebce/Halabja am 16.03.1988 als
Genozid anerkennt. Dabei ist es besonders wichtig, die deutsche
Verantwortung aufzuarbeiten, die in der Produktion der dort eingesetzten
chemischen Kampfstoffe liegt.
Die Grüne Jugend Sachsen-Anhalt setzt sich dafür ein, die Türkei für ihre
militärischen Aktionen in den kurdischen Autonomiegebieten mit Sanktionen
zu belegen.
Als Grüne Jugend Sachsen-Anhalt unterstützen wir außerdem folgende Forderungen
der kurdischen Bewegung:
Die deutsche Bundesregierung soll als staatliche Akteurin einen Antrag bei
der OPCW4 auf Überprüfung der Verwendung chemischer Waffen durch das
türkische Militär in Kurdistan-Irak stellen.
Die deutsche Bundesregierung soll sich innerhalb der NATO und UN für die
Einrichtung einer Flugverbotszone über Nord- und Ostsyrien einsetzen.
1Das entsprechende Zitat lautet: „Mit Allahs Hilfe werden wir sie alle so
schnell wie möglich mit unseren Panzern und Soldaten ausrotten“, Gert Höhler,
„Wagt Erdogan den Einmarsch in Syrien“, 27.11.22, Redaktionsnetzwerk
Deutschland, https://www.rnd.de/politik/erdogan-kuendigt-bodenoffensive-in-
nordsyrien-an-wie-wahrscheinlich-ist-eine-tuerkische-invasion-
ZELMFHNWLFETTPMNDNMENRGLS4.html (letzter Zugriff: 20.04.2023).
2„The State of the Occupation Q1 & Q2 2022: Lack of Accountability of SNA
Crimes, HTS Incursion in Afrin, and ISIS in Turkish-Occupied Territories.”
Rojava Information Center, https://rojavainformationcenter.com/2023/02/state-of-
the-occupation-q1-q2-2022-lack-of-accountability-of-sna-crimes-hts-incursion-in-
afrin-isis-in-turkish-occupied-territories/ (letzter Zugriff: 20.04.2023).
3Josef Savary; Jan van Aken: „Is Turkey Violating the Chemical Weapons
Convention?”, IPPNW, Oktober 2022.
https://www.ippnw.de/commonFiles/bilder/Frieden/2022_IPPNW_Report_on_possible_Tu-
rkish_CWC_violations_in_Northern_Iraq.pdf (letzter Zugriff: 25.04.2023).
4Die OPCW ist die Organisation für das Verbot chemischer Waffen der Vereinten
Nationen.
Begründung
Erfolgt mündlich.
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